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Vorgelagerte Qualitätsanalyse bei Tape-Legen mit nebumind's digitalem Zwilling

10/03/2021

Zusammen mit unseren Partnern AFPT, SURAGUS, Textechno, RWTH ITA, ist nebumind Teil eines innovativen Projekts, namens „TapeCheckSim“, welches durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Das Projekt fokussiert sich auf die Carbon-Composite-Fertigung und hat das Ziel, die Entstehung von materialbedingten Fehlern beim automatisierten Tape-Legen (AFP) zu vermeiden. Dies wird durch die Verwendung eines digitalen Zwillings realisiert, der eine dem Tape-Legen vorgelagerte Qualitätsanalyse zur Detektion fehlerhafter Materialabschnitte ermöglicht. Wir freuen uns auf ein spannendes Projekt und die Zusammenarbeit mit unseren Partnern!

Faserverstärkte Kunststoffe (FVK) weisen ggü. metallischen Leichtbaumaterialien ein deutlich höheres Leichtbaupotential auf und zeigen daher großen Potential für Industrien, wie die Raumfahrt, Luftfahrt und Automobilindustrie. Derzeit scheitert der flächendeckende Einsatz jedoch an zu hohen Bauteilkosten und der Skalierbarkeit hin zu größeren Stückzahlen. Grund dafür sind hohe Personalkosten durch manuelle Fertigung und ein hoher Materialverschnitt von 25 – 50 % bei der Verwendung textiler Bahnenware (z.B. Geweben, Gelegen).

Eine Möglichkeit den Personalaufwand zu senken, die Produktivität zu steigern und den Verschnitt um bis zu 45 % zu senken ist das automatisierte Tape-Legen (ATL). Dabei werden gespreizte Faserbänder (sog. Tapes) robotergestützt und endkonturnah direkt auf die Werkzeugoberfläche abgelegt. Durch schichtweises Stapeln dieser Tapes werden FVK-Bauteile additiv hergestellt. Allerdings entstehen beim ATL aufgrund von Qualitätsmängeln im Tape-Material (z.B. Breitenschwankungen) Fehler bei der Ablage (z.B. Gassen/Überlappungen), welche die mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Steifigkeit um bis zu 27 % reduzieren können.

Eine nicht-automatisierte visuellen Inspektion jeder abgelegten Lage nimmt ca. ein Viertel der gesamten Prozesszeit der Faserablage in Anspruch. Nicht erfasste Fehler führen bei der Endkontrolle zu Bauteilausschuss und verursachen somit hohe Kosten. Wird auf diese Kontrolle verzichtet, müssen hohe Sicherheitsaufschläge bei der Bauteilauslegung berücksichtigt werden, wodurch der Materialeinsatz und das Bauteilgewicht steigen. Daher wurden in den letzten Jahren Online-Qualitätssicherungssysteme für die Integration in den Tape-Legeprozess entwickelt. Diese haben jedoch den Nachteil, dass Fehler erst erkannt werden, wenn diese bereits abgelegt wurden.

Eine aktive Fehlervermeidung ist mit diesen Ansätzen nicht möglich. Zudem wurden in-situ Simulationsansätze entwickelt, die die Online-Daten der Qualitätssicherungssysteme nutzen, um die „as-built“ Eigenschaften eines Bauteils zu simulieren und damit eine Entscheidung über den Verbleib oder die Behebung eines Fehlers zu treffen. Da die Daten während des Prozesses gesammelt werden, stehen nur sehr kurze Simulationszeiten zur Verfügung, welches eine genaue Vorhersage der Bauteileigenschaften erschwert. Ein weiteres Defizit existierender Qualitätssicherungssysteme für das Tape-Legen besteht darin, dass diese zwar Fehler im Laminat, aber nur sehr eingeschränkt Fehler im zugeführten Material erkennen können.

Ziel des Projekts ist es, die Entstehung von materialbedingten Fehlern beim automatisierten Tape-Legen zu vermeiden. Dies wird über eine dem Tape-Legen vorgelagerte Qualitätsanalyse zur Detektion fehlerhafter Materialabschnitte realisiert. Dazu entwickeln SURAGUS GmbH und Textechno H. Stein GmbH & Co. KG im Rahmen des Projekts geeignete Sensorik, die eine kontinuierliche, zerstörungsfreie Prüfung des Tape-Materials ermöglicht. Materialfehler können damit detektiert und auf der Tape-Spule lokalisiert werden. Diese Informationen bilden den digitalen Zwilling der Tape-Spule. Die Zusammenhänge zwischen Tape-Qualität und den resultierenden mechanischen Verbundeigenschaften werden in Coupon-Versuchen am ITA ermittelt. Auf Basis dieser Daten wird am ITA ein neuronales Netz implementiert, mit dem die fehlerspezifische Abminderungsfaktoren prognostiziert werden können. Die Bahnplanung der Tape-Legeanlage gibt Aufschluss darüber, an welcher Stelle im Bauteil die betroffenen Tape-Abschnitte abgelegt werden. In der Bauteilsimulation, welche am ITA durchgeführt wird, werden diese Informationen verknüpft, um einen digitalen Zwilling des fehlerbehafteten Bauteils
zu erstellen. Das Simulationsmodell prognostiziert, ob der hervorgerufene Fehler im Bauteil zu einem kritischen Bauteilverhalten führen würde. In diesem Fall wird der entsprechende Tape-Abschnitt im Ablegeprozess ausgeschnitten und nicht abgelegt. Die neue Prozesskette wird auf den Anlagen der AFPT GmbH implementiert. Die Implementierung der notwendigen Infrastruktur zum Datenaustausch zwischen den einzelnen Subsystemen und die Datenaufbereitung wird von der nebumind GmbH übernommen.

Die aktive Vermeidung von materialbedingten Fehlern führt zu einer erhöhten Produktivität durch Wegfall von hohen Prozessnebenzeiten für Inspektion und Fehlerbehebung. Durch die Vermeidung von hohen Sicherheitsaufschlägen kann der Materialeinsatz weiter optimiert werden. Der Erkenntnisgewinn über die Zusammenhänge von Tape-Qualität und mechanischen Bauteileigenschaften vereinfacht die Materialauswahl und erhöht die Zugänglichkeit der ATL-Technologie für den Anwender.

 

Das Forschungsvorhaben wird im Rahmen des Technologietransfer-Programm Leichtbau (TTP LB) (Förderkz.: 03LB5001E) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.