Update

Qualität 4.0 – warum Produktionen ihr Qualitätsmanagement umstellen müssen

07/07/2021

Fertigungsprozesse werden immer automatisierter, Produktionsketten immer komplexer und Markteinführungszeiten immer kürzer. Diese Entwicklungen setzen Qualitätsprobleme in Produktionen wieder oben auf die Agenda. Qualitätsmanagement-Methoden, die sich bisher bewährt hatten, stoßen an ihre Grenzen. Eine Transformation hin zu einem holistischen Qualität 4.0-Konzept wird benötigt – wir erörtern warum und wie.

Standardisierte Vorgehen zur Sicherung der Qualität sind schon lange wesentlicher Bestandteil von Fertigungen. Hilfsmittel, wie beispielsweise Sensorik, und Abläufe, wie beispielsweise Stage-Gate Prozesse, werden eingesetzt, um Qualitätsfehler auf einem Minimum zu halten. Ziel ist es, die Kosten zur Sicherstellung der Qualität (Fehlerverhütungskosten) und die Kosten zur Behebung von Qualitätsfehlern (Fehlerkosten) im Gleichgewicht zu halten – nach dem Prinzip so wenig wie möglich, so viel wie nötig.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Fertigungsindustrie jedoch in einem Maße weiterentwickelt, das das bisherige Qualitätsmanagement an seine Grenzen bringt. In einer Kundenstudie von AT Kearney , in der 50 Führungskräfte und Experten weltweit aus unterschiedlichen Industriebranchen zum Thema Qualitätsmanagement befragt wurden, beobachten 50% der Befragten einen Anstieg an Qualitätsproblemen über die letzten 10 Jahre. 40% sagen, dass traditionelle Qualitätsmethoden an Effektivität verlieren. AT Kearney schätzt, dass die damit verbundenen Qualitätskosten um 30% steigen, wenn Produktionsunternehmen nichts unternehmen. Für die Top 100 Firmen weltweit, die in den Bereichen Automobil, Industriegüter und Konsumgüter tätig sind, würde dies einen Rückgang des operativen Gewinns um 215 Milliarden USD bedeuten.

 

Standardmethoden im Qualitätsmanagement greifen nicht mehr

Verschiedene Entwicklungen in der Industrie haben dazu geführt, dass bisherige Methoden heute weniger effektiv eingesetzt werden können und die Qualitätskontrolle darunter leidet:

 

Automatisierte Produktionsprozesse

Manuelle Prozesse werden immer mehr durch automatisierte Prozesse ersetzt. Dadurch reduziert sich sowohl der zeitliche Aufwand als auch mögliches, menschliches Versagen. Nicht zu unterschätzen ist jedoch die wachsende Komplexität, die durch Elektronik und Softwareapplikationen erzeugt wird. Qualität bzw. Fehler und ihre Ursachen werden dadurch intransparenter. Was der Werker zuvor selbst an der Maschine eingestellt hat, wird heute durch ein Maschinenprogramm ausgeführt. Für den Werker ist es schwieriger geworden, die Vorgänge zu verstehen und auftretende Fehler nachzuvollziehen und zu melden.

 

Verflochtene Produktionsketten

Zuliefererketten sind durch die Globalisierung immer größer geworden. Fertigungen fokussieren sich auf ihr Kerngeschäft und kaufen Komponenten, Werkzeuge und Hilfsmittel von Dritten ein. Anforderungskataloge sollen bei Zulieferern eine einheitliche Qualität sicherstellen. Mitgelieferte Protokolle zur Fertigung der Produkte können allerdings sehr unterschiedlich ausfallen – von ausgedruckten Fertigungsberichten über USB-Stick bis hin zu Download-Links, jeweils  in unterschiedlichsten Datenformaten (z.B. csv, pdf, excel, txt, etc.). Kommt es in der Produktion zu einem Fehler, dauert es zu lange die unterschiedlichen Protokolle durchzugehen. Es ist oft nicht nachvollziehbar, ob der Fehler bereits beim Zulieferer oder erst in der Produktion entstanden ist. Eine Ursachenanalyse, um Fehler beim nächsten Mal zu vermeiden, findet somit oft nicht statt.

 

Kurze Markteinführungszeiten

Fertigungen haben mit immer kürzeren Markteinführungszeiten zu kämpfen. Dies hat zum einen mit wachsendem Wettbewerb, wie beispielsweise in der Raumfahrtindustrie, zu tun. Zum anderen ist selbst in komplexen Industrien, wie der Automobilindustrie, der Trend hin zur „kundenspezifischen Massenproduktion“ zu beobachten. Dies erfordert erheblich mehr Flexibilität in Produktionen. Qualitätsansätze, wie die weit verbreitete Six Sigma Methodik, sind auf Variation und schnellere Durchläufe nicht ausgerichtet. Prozesskontrollen mit Standards, rigoroser Dokumentation und Planung scheitern bei agilen Produktionen, die auf Flexibilität und schnelle Marktanpassungen abzielen.

Ein zukunftsorientiertes Qualitätsmanagement benötigt Agilität. Es fordert eine schnelle Sammlung und Bereitstellung von Informationen, eine flexiblere Auswertung der Informationen und eine ständige Verfügbarkeit.

 

Digitalisierung als Chance, Qualitätsmanagement neu aufzustellen

Voraussetzung für solch ein zukunftsorientiertes Qualitätsmanagement ist eine einheitliche Informationsgrundlage, die über die gesamte Produktionskette hinweg jederzeit verfügbar ist.

Die Digitalisierung bietet hier eine große Chance. In Bereichen, wie der Produktionsplanung und der Maschinenüberwachung, sehen wir erste Industrie 4.0-Anwendungen. So werden Informationen aus Maschinen und Sensorik gesammelt, um Produktionsabfolgen, Maschinenstillstandzeiten oder Lagerbestände zu überwachen. Die Möglichkeit, Daten automatisch zu sammeln und jederzeit auszuwerten, hält der wachsenden Komplexität und Schnelllebigkeit hier stand.

Dieselbe Transformation muss im Bereich des Qualitätsmanagements stattfinden. Es werden so genannte Qualität 4.0-Konzepte benötigt, die Qualitätsinformationen durch die komplette Produktionskette sammeln, für jedes Produkt aufbereiten und in Echtzeit verfügbar machen, zum Beispiel in Form des „digitalen Bauteilzwillings“ von nebumind. Erst auf dieser Basis können neue, innovative Qualitätsmanagement-Methoden entstehen, die den Herausforderungen der Industrie, wie Komplexität, Vernetzung und Flexibilität, gewachsen sind. Die folgenden Beispiele zeigen erste Schritte in diese Richtung.

 

Reaktive Qualität – aus Fehlern lernen

In vielen Produktionen mit komplexen Fertigungsprozessen, wie beispielsweise in der Luftfahrt oder der Automobilindustrie, ist es oft zu teuer und zu aufwendig, Fehler zurückzuverfolgen. Es ist billiger, die Fehler zu reparieren und darauf zu hoffen, dass sie sich nicht wiederholen. Ein Qualität 4.0-Ansatz ermöglicht, dass Informationen zu der gesamten bisherigen Produktion eines Bauteils in Echtzeit vorliegen. Fehler können sofort zurückverfolgt werden. Nicht nur die laufende Produktion kann dadurch wiederkehrenden Ausschuss vermeiden, sondern auch die Vorentwicklung kann ein schnelleres Verständnis für Qualitätstreiber erreichen und so neue Prozesse oder Maschinen schneller einführen.

 

Echtzeit-Qualität – Fehler erkennen, wenn sie passieren

Um die Qualität von Bauteilen während der Produktion zu überwachen, wird mehr und mehr Sensorik eingesetzt, um bekannte Einflussfaktoren zu überwachen. Das Zusammenspiel von mehreren Einflussfaktoren, die möglicherweise erst über mehrere Produktionsschritte hinweg zum Tragen kommen, können mit einfacher Sensorik nicht erkannt werden. Qualität 4.0-Lösungen bieten die Möglichkeit, alle nötigen Informationen für ein einzelnes Bauteil gleichzeitig bereitzustellen, auszuwerten und damit auch prozessübergreifende Fehler zu melden.

 

Vorausschauende Qualität – Fehler vorhersehen

Maschinendrift ist ganz natürlich in Produktionen: Maschinen weichen über die Zeit von den ursprünglichen Einstellungen ab und müssen nachjustiert werden. Um einen Qualitätseinbruch zu vermeiden, der durch nicht erkannten Maschinendrift entstehen kann, werden regelmäßige Wartungen an Maschinen vorgenommen. Solche Wartungen sind teuer, da die Maschine und damit die Produktion stillsteht. Mit „Predictive Maintenance“ Ansätzen versucht man, den Wartungsbedarf vorherzusagen und Intervalle zu optimieren. Meist beruhen diese Ansätze auf der Überwachung des Maschinenverschleißes. Noch einen Schritt weiter gehen Qualität 4.0-Lösungen: Der Wartungsbedarf wird nicht auf Basis des Maschinenzustands, sondern auf Basis der Bauteilqualität bzw. Fehlermustern bestimmt – denn erst wenn die Qualität des Produkts zu leiden droht, ist eine Wartung unabdingbar.

 

Qualität 4.0 baut im Wesentlichen auf eine einheitliche Informationslage: Daten und Informationen müssen einheitlich vorliegen, jederzeit verfügbar und für jeden Bereich einsehbar sein, vom Design, über den Einkauf bis hin zur Produktion und dem After-Sales Service. Eine Aufgabe, die die gesamte Firma betrifft und vom Top Management gesteuert werden muss. Gerade jetzt, da Qualitätskosten wieder an Brisanz in Produktionen gewinnen.

 

Lesen Sie mehr zu nebumind’s Qualität 4.0-Ansatz, um genau diese Informationsgrundlage in Ihrer Produktion zu schaffen und Ihr Qualitätsmanagement neu aufzustellen.